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«Im Moment gilt, Ausschalten der Hamas und Friede mit der palästinensischen Bevölkerung. Nicht mehr und nicht weniger.» Michal Hoffman

Michal Hofmann erwähnt erstaunliche Fakten, redet von der Sehnsucht der Juden nach Frieden und geht mit der UNO und dem Roten Kreuz hart ins Gericht.

Interview mit Michal Hoffman / Tel Aviv

Die Fragen stellt Daniel Zingg/Geschäftsführer ASEBA-Schweiz:

Aseba: Deine Befürchtung, je länger der Krieg dauert, desto mehr würde Israel kritisiert, ist leider eingetroffen. Wie nimmt man das in Israel wahr?

Michal Hoffman: Leider kennen wir das aus der Vergangenheit. Es ist der gute Willen des Westens, jeden Krieg zu stoppen. Aber nur so lange, wie der Westen nicht selbst betroffen ist. Terrorismus ist längst salonfähig geworden. Wird die Hamas jetzt nicht eliminiert, haben wir in Israel ein ganz grosses Problem. Niemand, weder aus dem politisch linken noch rechten Lager, würde das der Regierung verzeihen. Im Moment gilt, Ausschalten der Hamas und Friede mit der palästinensischen Bevölkerung. Nicht mehr und nicht weniger.

In einem Brief, den 8’000 Kulturschaffende unterzeichnet haben, ist gar von einem «Genozid» an den Palästinensern die Rede. Diesen umstrittenen Brief haben auch der designierte Leiter der Kunsthalle Basel, Mohamed Almusiblis, und die designierte Direktorin der Kunsthalle Bern, Iliana Fokianaki unterzeichnet.

Wer ein solches Schreiben unterzeichnet, verdreht absichtlich oder aus Dummheit Tatsachen. 2016 warnte die UNO vor einem starken Bevölkerungswachstum im Gazastreifen. Man ging davon aus, dass sich die Bevölkerung bis 2050 auf 9,5 Millionen verdoppelt. Ein Genozid sieht anders aus. Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es 18 Millionen Juden auf der Welt. Nach dem Weltkrieg noch 12 Millionen. Das ist Genozid.

Der 26-jährige islamistische Terrorist von Paris erklärte letztes Wochenende, dass er die von Israel getöteten Muslime rächen wolle, darum habe er einen Menschen ermordet. Ihm sei das Sterben der Muslime in Afghanistan und Palästina „unerträglich“ geworden.

War es diesem Mann auch unerträglich, als die Hamas Männer, Frauen, Kinder, ältere Menschen und Babys folterten, teilweise verbrannten und umbrachten? Ich bin erstaunt, dass solche Meldungen und Terrorbeschönigungen den Weg in die Medien finden.

Wie ist das Verhältnis der palästinensischen Zivilbevölkerung zur Hamas?

Die Hamas wurde von der palästinensischen Bevölkerung 2006 in die Regierung gewählt. Eine Schicksalswahl, wie man heute weiss. Die palästinensische Bevölkerung muss jetzt machtlos zusehen, wie die von ihr gewählte Hamas Tunnels und militärische Anlagen unter ihren Schulen, Moscheen und Spitälern baut. Die Bevölkerung, welche die Hamas in den Sattel gehoben hat, wird von dieser nun als lebendiger Schutzschild missbraucht. – Aber 75% der Palästinenser stehen hinter der Hamas und befürworten die Massaker. Die Hamas war sich bewusst, mit welchen Reaktionen sie seitens Israels rechnen muss, wenn sie Israel angreifen. Hamas nimmt die hohe Zahl der toten Zivilisten in Kauf, und hat erreicht, dass ein Grossteil der Welt die Schuld den Israeli zuschiebt.

Allen voran die UNO, aber auch die USA und der Westen sehen den Gazakrieg nun als Krieg gegen Zivilisten. Das ist eine bösartige Unterstellung. In jedem Krieg gibt es zivile Opfer. Warum werden diese Opfer in den Kriegen zum Beispiel in Syrien, Irak und in von den USA geführten Kriegen kaum thematisiert? Zivile Opfer sind immer schrecklich. Noch schrecklicher ist, wenn diese Bevölkerung als Schutzschilder von einer Terrororganisation benutzt werden, die selbst IS mit ihren Gräueltaten in den Schatten stellt.

Die UNO aber auch das Rote Kreuz kritisieren Israel wegen der hohen Zahl ziviler Opfer. Nimmt man die UNO noch ernst in Israel?

Nein! Schon Ben Gurion sagte vor Jahrzehnten die Abkürzung für UNO bedeute «United Nothing», Vereinigtes Nichts. Die UNO hat sich, so jedenfalls unsere Meinung, dem Islam verkauft. Würde Iran behaupten, die Sonne gehen im Westen auf, ich bin mir fast sicher, die UNO würde das gutheissen. Der Iran wurde zum Vorsitzenden des Sozialforums 2023 des UN-Menschenrechtsrats gewählt. Doch der Iran tritt täglich Menschenrechte mit Füssen durch Folter, willkürliche Haft, Entrechtung von Frauen und Minderheiten. Wie kann man da eine Organisation wie die UNO noch ernst nehmen?

Auch das Rote Kreuz nehmen wir hier nicht mehr ernst. Das einzige, was diese Organisation im Gazakrieg macht, sind Taxifahrten im Scheinwerferlicht der Medien beim Gefangenenaustausch. Das wars dann aber auch. Sie kritisieren Israel wegen den Haftbedingungen palästinensischer Gefangener, kümmern sich aber keinen Deut um die israelischen Geiseln. In israelischen Gefängnissen inhaftierte Terroristen erhalten täglich drei Mahlzeiten und werden medizinisch betreut. Es gibt Gefängnisse, da können sie ihre Mahlzeiten nach Wahl selbst kochen. Unschuldige von der Hamas Entführte aus Israel erhalten, wenn es gut geht, einen Stuhl. Geschlafen wird am Boden. Inzwischen ist bekannt, dass die Hamas auch nicht vor Folter und Mord zurückschreckt.

Während seiner Gefangenschaft retteten israelische Ärzte dem Hamas Terroristen Yahya Sinwar das Leben. Sie operierten ihn, er litt an einem Gehirntumor. Und am 7. Oktober gab er als das zweitmächtigste Mitglied der Hamas den Befehl für das Massaker im Süden Israels. Wo bleibt der Aufschrei der UNO oder die Kritik des Roten Kreuzes? In einer Zeitung stand: «Ich schlage vor, dass das gesamte Komitee des Roten Kreuzes sich zuerst den 40-minütigen Film über die Gräueltaten der palästinensischen Monster ansieht, bevor es Israel vorschlägt, die Palästinenser mit Respekt und Menschlichkeit zu behandeln.[1]» Das Rote Kreuz, zumindest im Gazastreifen, ist der Hoheit der Hamas ausgeliefert. Die Hamas herrscht noch über alles! Auch über das Rote Kreuz.

Könnte der Gazakrieg einen neuen weltweiten Antisemitismus auslösen, oder gab es den schon immer, nur wird er jetzt sichtbar?

Antisemitismus gibt es, seit es Juden gibt. Immer wieder sucht und suchte man einen Sündenbock. Die Juden waren Schuld an der Pest im Mittelalter und sind es jetzt am Krieg im Nahen Osten. Nach dem Holocaust gab es, bedingt durch Gewissensbisse über die Gräueltaten am jüdischen Volk, einen «versteckten» Antisemitismus. Jetzt ist der Antisemitismus wieder salonfähig geworden.

Unter christlichen Theologen wird, jedenfalls punktuell, die Meinung vertreten, das Christentum habe das Judentum abgelöst. Dass es heute einen jungen, florierenden Staat Israel als biblisch verheissen gibt, ist Christen, die eine solche Meinung vertreten, ein Dorn im Auge, der nicht selten in Hass gegen die Juden mündet. Bei uns spricht man da von christlichem Antisemitismus. Vergessen wir nicht, der Westen solidarisiert sich zunehmend aus wirtschaftlichen und anderen Gründen mit islamischen Ländern und damit zwangsläufig auch mit deren Ideologie, dem Islam. Man solidarisierte sich aus Eigeninteresse lieber mit dem Islam als mit den Juden.

Wie ist die Stimmung in Israel unter den rund 1,2 Millionen israelischen Araber? Sind diese israelischen Staatsbürger quasi zwischen den Fronten?

Nein! Anfänglich, unmittelbar nach dem 7. Oktober, war die Befürchtung gross in Israel, dass es eine weitere Intifada geben könnte. Das heisst einen Aufstand der arabischen Bevölkerung in Israel gegen die Juden. Erstaunlicherweise stellen wir jetzt eine grosse Solidarität der arabischen Israeli zum Staat Israel fest. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel. Der Hamas ist es nicht gelungen, den arabischen Teil der israelischen Bevölkerung hinter sich zu sammeln. Anscheinend haben die Araber in Israel das Spiel durchschaut und verurteilen so den brutalen Terror der Hamas. Ganz anders zeigt sich die Situation in vielen Ländern in Europa und zunehmend auch in den USA.

In deinem letzten Interview hast du gesagt, der Grund, warum die Hamas Israel vernichten wolle, liege in den Hadith begründet, den Überlieferungen Mohammeds. Diese Überlieferungen fordern unmissverständlich den Tod der Juden. Warum wird das im Westen so kaum wahrgenommen und nicht darüber diskutiert?

Entweder weiss man das nicht, was mich allerdings verwundern würde, oder der Westen hat schlicht Angst vor Reaktionen aus der islamischen Welt.

Ist der Westen einfach zu feige, den wahren Grund zu nennen, aus Furcht vor dem Islam?

Es scheint so!

Was hat Israel in der Vergangenheit falsch gemacht, dass es zu diesem Horror Terror der Hamas kommen konnte?

Wir waren zu westlich eingestellt. Wir glaubten, dass, wenn wir tausenden von Palästinenser aus dem Gazastreifen in Israel Arbeit und somit gutes Geld geben, wir wenigstens Ruhe haben. Dieses Denken hat sich als falsch erwiesen. Inzwischen weiss man, dass die Armee und der Geheimdienst über die Absichten der Hamas informiert waren. Mit unserem Denken und der Einstellung, wir geben denen Essen, Arbeit und somit auch Würde, das, was sie von ihrer eigenen Regierung nicht bekommen, haben wir uns selbst Sand in die Augen gestreut. Unsere Naivität hat uns blind gemacht.

Dass hinter diesem Krieg nicht nur die Hamas stecken kann, ist mittlerweile jedem hier in Europa klar. Welche Rolle spielt der Iran, der Israel mehrfach als Krebsgeschwür bezeichnet hat?

Der Iran spielt eine Schlüsselrolle. Das ist zwischenzeitlich bekannt. Ohne den Iran wäre Hamas nicht in der Lage gewesen diese Massaker durchzuführen. Ob Iran direkt an den Massakern beteiligt war, weiss man noch nicht. Was aber bekannt ist, dass vom Hamas-Terror betroffene Israeli inzwischen zu Protokoll gaben, dass beim Überfall am 7. Oktober nicht nur arabisch, sondern teilweise auch andere Sprachen zu hören waren. Aus welchem Land die stammen wird zur Zeit eruiert.

Vermehrt, wenn auch leise, spricht die christliche Kirche von einem möglichen Endzeitszenario, wenn jetzt ein weltweiter, rational nicht begründbarer Antisemitismus losbricht. Gibt es Parallelen in der jüdischen Theologie? Und wo ordnet man im (religiösen) Judentum die momentanen Ereignisse ein?

Es gibt Parallelen. Zusammengefasst: Die jüdische Theologie spricht vom Zeichen des Kommens des Messias, wenn ein weltweiter Antisemitismus das jüdische Volk in grösste Bedrängnis bringt. Die christliche Theologie spricht beim Eintreffen von diesem apokalyptischen Szenario von der Wiederkunft des Messias oder der Wiederkunft Jesu. Egal welcher Religion man angehört oder was man glaubt, die Zeichen verdichten sich.

In ein paar Wochen feiern die Christen Weihnachten. „Frieden auf Erden“, ist die Kernbotschaft von Weihnachten. Wo ist dieser Friede, oder wie muss man sich diesen Frieden vorstellen?

Eine gute Frage. Wo dieser Friede ist, weiss ich nicht. Jedenfalls nicht in Israel. Aber ich und wir alle hier wünschen uns diesen Frieden.


[1] Israel heute, 5. November 2023 online