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Hölle auf Erden

Ralf Levinsohn

Hölle auf Erden

Am Samstagmorgen um 6.30 Uhr begann es mit einem heftigen Raketenbeschuss auf die israelischen Gemeinden an der Grenze zu Gaza. Gleichzeitig durchbrachen Hunderte schwer bewaffneter Terroristen die Grenze. Die Terroristen gingen von Tür zu Tür, mordeten und brachten Menschen als Geiseln nach Gaza, darunter ganze Familien mit Kindern.

Kein Durchkommen für die Krankenwagen

Wir sahen, wie die schwarz gekleideten Terroristen vor unserem Haus rannten und ununterbrochen schossen. In meinem kleinen Kibbuz gab es Dutzende Tote und Entführte. Unsere freiwilligen Notfallhelfer wurden fast alle ermordet, entführt oder verwundet. Häuser wurden besetzt und die Familien als Geiseln gehalten. Die Tochter, der Ehemann und das Baby eines guten Freundes wurden vor den Augen zweier älterer Kinder ermordet, die sich im Schrank versteckten. Die einzige Möglichkeit, die beiden Kinder zu unterstützen bestand darin, dass ein Sozialarbeiter stundenlang mit ihnen telefonierte, während sie mit den Leichen ihrer Familie im Raum waren. Später gelang es der Armee zu ihnen zu gelangen. Keiner der Krankenwagen konnte zu uns durchkommen, die Sanitäter wurden getötet und die Krankenwagen nach Gaza entführt.

Höllenqualen für uns Eltern

Meine Tochter, die in einem anderen Teil des Kibbuz lebt, war etwa 18 Stunden lang ohne Strom. Der Akku ihres Mobiltelefons war leer. Wir hatten Angst um ihr Leben und während 12 Stunden keinen Kontakt. Eine gefühlte Ewigkeit. Höllenqualen für uns Eltern. Sie wurde schließlich von der Armee befreit und ist jetzt in Sicherheit.

Mein Sohn und meine Familie, sie leben ebenfalls in einem anderen Bereich des Kibbuz, wurden nach 24 Stunden in der Hölle von der Armee herausgeholt. Jetzt sind sie in Sicherheit.  

Wir selbst waren die ganze Zeit in unserem Luftschutzbunker. Dauernd hörten wir Schüsse und Explosionen. Es waren qualvolle 18 Stunden ohne Telefonempfang und teilweise ohne Strom.

Von der Armee befreit

Schließlich drangen Armeeeinheiten in alle Häuser ein, um uns und die anderen noch lebenden Familien herauszuholen. Im Feuergefecht wurden die Terroristen getötet.

Bei mir drangen die Armeeangehörigen durch ein Fenster in das Haus ein. Das war ein Moment großer Angst. Wir wussten nicht sind es Soldaten oder Terroristen.

Die Armee sammelte uns in kleinen Gruppen und führten uns unter strenger Bewachung zu Bussen, die uns schließlich aus dem Kriegsgebiet evakuierten. Um uns herum gab es ständig heftiges Feuer, und wir mussten eine Zeit lang in einem Bunker Schutz suchen. Auf dem Weg zu den Bussen kamen wir an Dutzenden ausgebrannten Fahrzeugen, auf der Straße liegenden Leichen, Raketenwerfern, AK47-Gewehren, Granaten usw. vorbei.

Traumatisiert aber gerettet

Jetzt sind wir für ein paar Tage in Eilat und versuchen, wieder zu Atem zu kommen und das Ausmaß des Traumas zu senken. Meine Frau, mein Sohn, meine Tochter und meine drei Enkelkinder haben es alle geschafft, lebend aus der Hölle herauszukommen, was unglaublich und für uns ein Wunder ist. Die meisten unserer Freunde sind leider umgekommen. Es gibt immer noch Terroristennester in der Gegend und der Kibbuz ist verlassen. Wir können nicht einmal unsere Toten begraben.

Danke, wenn Sie uns in dieser Situation nicht vergessen.

Als gebürtiger Afrikaner hat mir die Wildnis Afrikas viele Dinge beigebracht. Eine Lektion ist, dass ein verletztes Tier viel gefährlicher ist als ein gesundes Tier. Israel ist jetzt ein verletztes Tier.

Ralf Levinsohn/Israel


„Israel zwischen Tränen und Hoffnung“
Die bereits vor einigen Jahren erstellte Film-Dokumentation der ASEBA ist angesichts der Tragik im Nahen Osten top aktuell: